„Warum geizen wir eigentlich so mit der deutschen Sprache?“

Fazit zum 2. Zukunftskongress Migration & Integration 2016

Heute ging der 2. Zukunftskongress Migration & Integration zu Ende. Er fand am 20./21. September 2016 im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung in Berlin statt.  Zum zweiten Mal diskutierten Experten und Praktiker aus Politik, Behörden und Wirtschaft über die Herausforderungen und Lösungen für die Integration von Geflüchteten in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt.

Über 600 Fachbesucher trafen sich am Dienstag und Mittwoch beim Jahrestreffen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

2. Zukunftskongress - Migration & Integration, 20./21. September in Berlin

Der Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hält die Eröffnungsrede, es ist eine für Politiker eher seltene und bewegende Rede, die man sich auf dem Youtube-Kanal von Phoenix in voller Länge anschauen kann: https://www.youtube.com/watch?v=S26C-wZGyDU

Thomas de Maizière sagt, Sprache, Arbeit, und Bildung sind wichtig, aber nicht hinreichend, um Flüchtlinge in Deutschland zu integrieren.  Der Innenminister wünscht sich eine Öffentliche Diskussion über die  Zielsetzung von Integration, dies beinhalte auch die Frage,  wer sind wir und wo wir hinwollen. De Maizière irrt allerdings in einem Punkt seiner Rede, wenn er meint, es sei nicht schlimm 3-4 Monate auf einen Deutschkurs zu warten. Das entspricht nicht der Realität, die wir bei LinguaTV in der Kommunikation mit vielen Flüchtlingen erlebt haben. Auch im Einzelgespräch mit vielen Besuchern des Zukunftskongresses ergibt sich für LinguaTV ein anderes Bild.

Einen Kommentar zur Grundsatzrede von Thomas de Maizière schrieb der Tagesspiegel gestern: http://www.tagesspiegel.de/politik/integrationsdebatte-der-perspektivwechsel-des-thomas-de-maiziere/14576026.html

Im Best Practice Dialog stellen Experten ihre Erfahrungen mit dem Einsatz von digitalen Deutschkursen in Integrationsmaßnahmen vor.

LinguaTV war Partner des 2. Zukunftskongresses. Im Rahmen eines Best-Practice-Dialogs informierten Fachleute von Arbeit und Bildung Essen GmbH, der Roland Berger Stiftung, der TÜV Rheinland Akademie und der LinguaTV GmbH über Praxisbeispiele und erfolgreiche Kombinationen aus Spracherwerb und fachlicher Ausbildung sowie bewährte Einsatzmöglichkeiten für digitale Deutschkurse.

LinguaTV-Geschäftsführer Philip Gienandt stellte kurz die Einsatzmöglichkeiten der digitalen Deutschkurse und ihren Nutzen für Geflüchtete vor.

Mariana Karkoutly (Sozialarbeiterin), die selbst aus Syrien geflüchtet ist, stellte ein Projekt in einer Berliner Notunterkunft vor. Dank privatem Engagement (Sachspenden in Form von Laptops von Google und Deutschkursen von LinguaTV) konnten Geflüchtete mit digtialen Deutschkursen versorgt werden, die ansonsten lange auf einen Deutschkurs warten müssten oder gar keinen erhalten sollen. Außerdem schilderte die Sozialarbeiterin die Inklusionswirkung von digitalen Deutschkurse am Beispiel von Müttern und Analphabeten, die häufig nicht an Präsenzsprachkursen teilnehmen können.

Dr. Raffel von der Roland Berger Stiftung, die unbegleitete Jugendliche betreut, bestätigte, dass die LinguaTV-Lernenden in allen Kompetenzen besser abschneiden als andere Geflüchtete. Die Punkte, die Lernende durch Gamification-Elemente während der Sprachkurse sammeln können, motivieren zusätzlich.  Der Vergleich mit anderen Lernenden wird als hilfreich wahrgenommen. Die Geflüchteten beschäftigen sich mehr als eine Stunde pro Lerneinheit mit dem digitalen Sprachkurs. Sie sind sehr ehrgeizig und motivieren sich in der Gruppe gegenseitig. Weil das LinguaTV-Lernprogramm leicht zu verstehen und bedienen sei, kommen die Lernenden gut damit zurecht.

Doris Walencki von der Arbeit und Bildung Essen GmbH hat LinguaTV nach eingehender Prüfung durch zwei erfahrene Lehrkräfte in die Integrationsmaßnahmen als zentralen Bestandteil aufgenommen. Eingesetzt werden die LinguaTV-Deutschkurse zum Selbstlernen sowie ergänzend zum Präsenzunterricht mit Betreuung durch Lehrkräfte. Frau Walencki beschreibte, dass Geflüchtete, die mit LinguaTV gelernt haben, den Besuch des Integrationskurses um drei Monate verkürzen konnten. In der Folge konnten sie den Schritt in die Arbeit früher machen. Gleichzeitig bedauerte sie, dass die Finanzierung digitaler Kurse durch den Bund aus Sicht der Bildungsträger leider immer noch ungelöst ist.

Sandra Gasber, Geschäftsführerin des digitalen Sprachkursanbieters LinguaTV in der Diskussion mit Klaus von Dohnanyi beim 2. Zukunftskongress Migration & Integration am 20./21. September in Berlin

Sandra Gasber, die Geschäftsführerin von LinguaTV nahm heute an der Podiumsdiskussion "Verständnis kommt von einander verstehen: Sprache als Schlüssel zur Integration" teil, die von Dr. Klaus von Dohnanyi moderiert wird.


Lehrermangel und lange Wartezeiten

Dabei beschrieben die Experten die Probleme aus der Praxis. Sie nennen vor allem Lehrermangel und lange Wartezeiten. Diese Probleme könnte man mit digitalen Bildungsangeboten im Handstreich vom Tisch wischen. Auf die Frage des Moderators von Dohnanyi, ob sich das Publikum mehr digitale Inhalte wünscht folgte große Zustimmung. Von Dohnanyi ermöglichte ein unkonventionelles Format für die Podiumsdiskussion und ließ schon zu Anfang das Publikum zu Wort kommen.

Podiumsdiskussion zum Thema "Verständnis kommt von einander verstehen: Sprache als Schlüssel zur Integration" mit (v.l.n.r.) Dietmar Schlömp (Verband Deutscher Privatschulverbände), Dr. Claudia U. Schulz (Bundesministerium des Innern), Moderator Dr. Klaus von Dohnanyi, Carola Cichos (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) und Sandra Gasber (LinguaTV GmbH)

Warum geizen wir eigentlich so mit der deutschen Sprache?

"Warum geizen wir eigentlich so mit der deutschen Sprache?", fasst Geschäftsführerin Sandra Gasber ihre Erkenntisse des Kongresses zusammen. Es kann nur positive Effekte haben, wenn wir allen Geflüchteten (ungeachtet der Herkunft, Bleibeperspektive, etc.) die Möglichkeit bieten, sofort Deutsch zu lernen. Auch wenn einige früher oder später in ihre Heimat zurückkehren, wären ihre Deutschkenntnissse für Deutschland als Exportland gesamtwirtschaftlich ein großer Vorteil.

Leider diskutieren zu viele Beteiligte immer noch über Ressourcenmangel in Form von fehlenden Lehrkräften und organisatorischen Hürden, die es typischerweise nur im analogen Bildungssystem gibt. Digitale Deutschkurse könnten sofort flächendeckend für alle eingesetzt werden, bestätigt auch das Abschlussplenum unter Leitung von Moderatorin Solveigh Hieronimus, Partnerin bei McKinsey & Company.

 

Weitere Informationen auf http://www.linguatv.com/af/initiative-dff und http://wegweiser.de/de/2-zukunftskongress-migration-integration-2016.