Wie Geflüchtete schneller Deutsch lernen könnten

Die Wartezeit von Monaten ist eine Qual für die Geflüchteten und eine Fehlinvestition für Deutschland.

Kein Zweifel: Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Deutsch für alle und von Anfang an – das ist die politische Parole. Aber die Umsetzung lässt zu wünschen übrig. Bürokratie und die Schwächen des analogen Bildungssystems bremsen die oft hoch motivierten Flüchtlinge aus. Dabei könnte digitales Lernen nicht nur die Angebotslücke schließen, sondern auch weitere Vorteile bringen.

Sulaiman (19) ist aus Syrien geflüchtet und seit einem Jahr in Deutschland. Er wartet immer noch auf einen Deutschkurs und muss weiter geduldig sein: Wenn er nicht noch kurzfristig in einen Deutschkurs hineinrutscht, bekommt er wohl erst im kommenden Januar einen Platz. Er ist enttäuscht. Denn anstatt so schnell wie möglich Deutsch zu lernen, bleibt ihm jetzt nur noch der langweilige Alltag im Wohnheim. "Herumsitzen, Fernsehen, mit anderen Flüchtlingen Englisch oder arabisch sprechen, sowas mache ich. Sonst muss ich warten ...", sagt er.

Warten auf einen Deutschkurs macht mürbe. Eine Wartezeit von Monaten wäre nicht nötig, mit den sofort verfügbaren und skalierbaren Online-Kursen für die digitale Generation.

Früher mussten Flüchtlinge neun Monate lang warten, erst dann prüften die Behörden, ob sie fließend Deutsch sprechen. Diese Frist diente ursprünglich der Abschreckung und sollte Hürden aufbauen, aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland zu kommen. Seit in den letzten Monaten mehr als 1 Million Menschen in Deutschland angekommen sind, ist eigentlich klar, dass eine Deutschprüfung ohne vorherigen Unterricht keinen Sinn macht.

"Bildung ist ein Menschenrecht und gilt für jeden und jede. Für uns – wie ich glaube für alle inzwischen - ist der Erwerb der deutschen Sprache der Schlüssel zur Integration. " sagt Marlis Tepe, die Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW. Damit hat sie recht, doch kann Deutschland zurzeit nicht genügend Sprachunterricht anbieten, weil geschultes Personal fehlt. Aber kann das im digitalen Zeitalter in einer wirtschaftlich führenden Nation ein akzeptabler Grund sein? Gibt es denn keine Alternativen zu Präsenzunterricht mit einer Lehrperson und bis zu 25 Sprachschülern?

Flüchtlinge kämpfen bei Sprachkursen mit der Bürokratie

Deutsch für alle Flüchtlinge möglichst von Anfang an – ist der Wunsch aller Beteiligten. Cemile Giousouf, die integrationspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bringt es auf den Punkt: "Das ist sehr wichtig, dass wir von der Stunde null an Möglichkeiten bieten, die Sprache zu lernen, weil das natürlich, und das ist keine Überraschung, der Weg in Bildung, in Arbeit und in die gesellschaftliche Integration ist."

Verständigung zwischen Bürgern und Geflüchteten funktioniert am besten wenn beide dieselbe Sprache sprechen. Flüchtlinge wollen Deutsch lernen – helfen wir ihnen dabei.

Der Kurs ist offen für alle Ausländer. Verpflichtend ist er für diejenigen, die Sozialleistungen beziehen und dauerhaft in Deutschland bleiben wollen. Asylbewerber durften bislang die Integrationskurse erst nach Abschluss ihres Verfahrens besuchen – das kann Monate, manchmal Jahre dauern. Doch angesichts des Flüchtlingszustroms sind die Kurse geöffnet worden – nun dürfen auch Personen aus Syrien, Eritrea, Iran und Irak, die gerade erst in Deutschland angekommen sind, an einem Integrationskurs teilnehmen. Die Angehörigen dieser Länder haben eine sehr hohe Bleibeperspektive. Jedoch müssen auch sie zunächst einen Antrag auf Zulassung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stellen. Von diesem „Interview“, wie die Betroffenen den Prozess beim BAMF nennen, hängt jedoch viel ab. „Ohne das dürfen sie praktisch gar nichts“, berichten Flüchtlingshelfer. Sie haben weder Anspruch auf Sprachunterricht oder auf eine Ausbildung, noch auf Integrationskurse oder Arbeit. Ideal wäre, wenn die Einladung zum Integrationskurs zügig kommen würde. Aber das ist selten der Fall. Die Geflüchteten, die seit Herbst 2015 in Deutschland sind, erhalten erst jetzt ihre Berechtigung, diesen Kurs zu besuchen. In den meisten Fällen seien sogar acht bis zwölf Monate vergangen. Die langen Wartezeiten widersprechen dem ursprünglich guten Vorsatz des Deutschlernens von Anfang an. Für viele Flüchtlinge bedeutet dies: Warten, Warten, Warten. „Das Nichtstun bzw. Nichtstun können ist eine enorme emotionale Belastung“, weiß Sozialarbeiterin Mariana und wirkt sich auf die spätere Motivation sich zu integrieren negativ aus. Momentan ist die Motivation zum Deutschlernen allerdings größer als das Kursangebot.

„Der Zeitraum zwischen der Ankunft der Flüchtlinge und ihrer Möglichkeit, sich in Deutschland über Spracherwerb, Ausbildung oder Arbeit zu integrieren dauert viel zu lange“, kritisiert auch Sandra Gasber, die Geschäftsführerin des Berliner Deutschkursanbieters LinguaTV. „Es ist nicht sinnvoll, Menschen untätig und ohne jegliche Aufgabe monatelang in ihrer Unterkunft sitzen zu lassen.“ LinguaTV beschäftigt eine junge Syrerin als Übersetzerin für Englisch/Arabisch. Sie hat ein abgeschlossenes Jura-Studium, das sie aber in Deutschland nicht nutzen kann. Sie ist eine dieser hochqualifizierten Geflüchteten, die Politiker meinen, wenn sie darauf hinweisen, dass Zuwanderer zumindest einen Teil des Fachkräftemangels kompensieren könnten. Nicht zuletzt dafür haben sie die Integrationskurse geöffnet.

Flächendeckende "Integrationskurse" erst seit 2005

Erst seit 2005 gibt es das Instrument der sogenannten Integrationskurse. Das neue Programm soll es ermöglichen, Asylbewerber schneller in Deutschland zu integrieren. Integration bedeutet vor allem Deutsch lernen, um dann auch Arbeit zu finden, um sich und die Familien versorgen zu können. Auch die Bundesagentur für Arbeit hofft, unter den Ausländern Fachkräfte zu identifizieren und früher für den Arbeitsmarkt zu gewinnen: "Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels müssen wir gut qualifizierte Flüchtlinge fördern und deshalb stärker und früher in den Arbeitsmarkt integrieren", sagt Jürgen Wursthorn, Sprecher der Bundesagentur für Arbeit. Um Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt aufzunehmen, müssen sie gut Deutsch sprechen. Aber nicht nur die außerordentlich lange Wartezeit auf einen Deutschkurs stellt ein Problem dar, sondern auch die Intensität der Kurse.

 

Nur 6 von 10 erreichen gewünschtes Deutsch-Niveau

Mit einem Umfang von 600 Stunden Deutsch plus einen 60-stündigen Orientierungskurs ist der Kursumfang begrenzt. Christoph Schröder, Professor für Deutsch als Fremdsprache an der Universität Potsdam, kritisiert grundsätzlich den vom Bund finanzierten Einheitskurs für alle, der den heterogenen Zielgruppen gar nicht gerecht werde. Einerseits unterfordere er Akademiker oder Teilnehmer mit Vorkenntnissen, andererseits benötigen bildungsferne Teilnehmende, die wenig oder keine Erfahrungen im Erlernen einer Fremdsprache haben, in der Regel mehr Zeit. Außerdem seien die Kurse zu unspezifisch, müssten viel stärker auf den Arbeitsmarkt ausgerichtet sein.

 

Ausgebildete Lehrkräfte für Deutschkurse sind Mangelware.

Ein weiterer Engpass ist das Personal – es fehlen Lehrer, die eine besondere Qualifizierung im Bereich "Deutsch als Fremdsprache" vorweisen können. Auch private und öffentliche Bildungsträger suchen händeringend Deutschlehrer. In vielen Erstaufnahmeeinrichtungen übernehmen deshalb Ehrenamtliche den Deutschunterricht. Das ist sicher gut gemeint. Aber es gibt auch kritische Stimmen. Bärbel Schürrle, Leiterin der Volkshochschule Friedrichshain-Kreuzberg, gibt zu bedenken, „dass es im Bereich der Erwachsenenbeschulung sehr problematisch ist, wenn man nicht qualifizierte Lehrkräfte zum Einsatz bringt. Denn sprachliche Fehler, die durch nicht geschultes Personal letztendlich verursacht werden, sind sehr, sehr schwer später zu revidieren."

Damit Geflüchtete in Präsenzkursen wirklich Deutsch lernen, brauchen sie ausgebildete Lehrkräfte. Doch diese sind zurzeit Mangelware.

In der Folge des Personalmangels sind die Kurse vieler Bildungsträger heillos überfüllt. Das Maximum von 25 Teilnehmern wird – ob aus wirtschaftlichen Gründen oder mangels Lehrkräften – ausgereizt. Damit können selbst die besten und erfahrensten Lehrkräfte keinen optimalen Unterricht mehr gewährleisten.

Im Ergebnis erreichen nur sechs von zehn Teilnehmern am Ende das gewünschte Deutsch-Niveau. Deshalb plädiert auch die integrationspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion dafür, das Konzept zu überarbeiten – weg vom Einheitskurs, hin zu differenzierten Angeboten, die auf das Bildungsniveau der Kursteilnehmer abgestimmt sind.

Einen großen Teil dieser Aufgabe können digitale Sprachkurse übernehmen. Die Teilnehmer können die Unterrichtseinheiten so oft wiederholen, wie sie es individuell brauchen. Sie können einzelne Aufgaben, die ihnen Schwierigkeiten bereiten so oft üben, wie nötig, da sie unabhängig von Ort und Zeit zur Verfügung stehen. Besonders für die junge Generation, die unter den Flüchtlingen stark vertreten ist, ist das Lernen auf Tablets und Smartphones ganz selbstverständlich. Die Vermittlung von Inhalten mittels Videos kann die Lerngeschwindigkeit deutlich steigern, weil die Bildsprache besser erinnert wird, als die Verknüpfung von abstrakten Worten.

Digitale Deutschkurse sind für Millionen Flüchtlinge skalierbar lieferbar – Auf Knopfdruck. Sie können sofort eingesetzt werden und lange Wartezeiten auf Präsenz-Sprachkurse vermieden werden.

Es ist nun an der Zeit, dass das digitale Zeitalter auch bei der Integration ankommt. Wenn wir tausenden motivierten Flüchtlingen helfen, schneller Deutsch zu lernen, indem wir ihnen den Zugang zu digitalen Sprachkursen öffnen, dann entlasten wir den Lehrbetrieb und verbessern die Lernerfolge. Davon profitieren alle. Die Flüchtlinge sind sinnvoll beschäftigt, können sich schneller und besser verständigen, werden schneller integriert und im Optimalfall sogar schneller in den Arbeitsmarkt aufgenommen. Das kann Idris (20) aus Afghanistan nur bestätigen. Er ist sehr motiviert und lernt täglich mit den digitalen Deutschkursen von LinguaTV. Idris macht jetzt sogar ein Praktikum.

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